KIRCHHEIM. „Wir wollen Familien zusammenbringen und den Austausch fördern“, sagt Maria Kaßler und legt mehrere Flyer mit verschiedenen Angeboten auf den Tisch. Wir, das sind die Mitarbeiterinnen der Lebenshilfe Kirchheim, die 2021 auf dem ehemaligen Nanz-Areal, inmitten des neuen Wohnquartiers, das Zentrum für Familie und Selbsthilfe (genannt „PauLe“) eröffnet haben. Der Standort ist Anlaufstelle und Treffpunkt für alle Menschen, die Austausch, Begleitung oder Rat rund um eine Behinderung suchen.
Maria Kaßler kennt die Lebenshilfe seit ihrem Praktikum während des Studiums. Sie weiß um die Sorgen und Nöte von Eltern, die bereits während einer Schwangerschaft vom Arzt erfahren, dass ihr Kind möglicherweise mit einer Behinderung zur Welt kommt. „Wie sieht das Leben mit einem Kind mit Behinderung aus?“ das ist eine Frage, die Maria Kaßler und ihre Kolleginnen immer wieder hören. Steht die Diagnose fest, fühlen sich Eltern und Familien überfordert. „Sie haben das Gefühl, mit ihren Fragen, Sorgen und Ängsten alleingelassen zu sein.“ Dankbar sind die betroffenen Familien deshalb für Ansprechpartner, wie man sie im PauLe antrifft. „Wir sind für Menschen mit einer Behinderung und deren Angehörige Ansprechpartner und suchen zusammen mit ihnen nach neuen Möglichkeiten“, erklärt Maria Kaßler. Denn sie weiß aus vielen Gesprächen mit Eltern, dass in dieser Ausnahmesituation nicht nur Erfahrungen mit Behinderungen fehlen, sondern in der Regel auch Informationen zu Unterstützungsangeboten.
Hilfen aufzuzeigen und gemeinsam nach einem Weg zu suchen, ist für die erfahrene Sozialpädagogin eine Aufgabe, die sie mit Herzblut ausfüllt. Vor mehr als 20 Jahren kam sie zur Lebenshilfe Kirchheim. Im Rahmen ihres Studiums absolvierte sie bei den Offenen Hilfen ein Praktikum. Nach dem Studienabschluss blieb sie bei der Einrichtung. „Mein erster Arbeitsplatz war im Wohnheim in der Saarstraße.“
Weil sie noch mehr Berufserfahrung sammeln wollte, wechselte sie den Arbeitgeber. Doch die Verbindung zur Lebenshilfe riss nie ab. Als Ehrenamtliche engagierte sie sich einige Jahre später bei den Samstagsangeboten für Familien. Und als dann bei den Offenen Hilfen wieder eine Stelle frei wurde, kam Maria Kaßler zurück. Das Aufgabengebiet im PauLe ist breit gefächert.
„Mit unseren vielfältigen Angeboten setzen wir uns dafür ein, jedem Menschen ein selbstbestimmtes und aktives Leben zu ermöglichen“, betont die Sozialpädagogin. Ratsuchende aus dem Raum Kirchheim und Nürtingen kommen in die offenen Sprechstunden oder vereinbaren vorab einen Termin. Alle, ob Eltern, Großeltern oder Geschwister, finden im PauLe einen Ansprechpartner, der ihnen zuhört. Ein ganz wichtiges Angebot ist die Samstagsbetreuung im PauLe. Damit Angehörige mal durchatmen können, wird für Kinder mit Behinderung und deren Geschwister zweimal im Monat eine Betreuung, geleitet von einer Fachkraft, angeboten. „Kinder mit und ohne Behinderung spielen zusammen und entdecken die Welt gemeinsam.“
Gern angenommen wird von Müttern und Vätern mit ihren Kindern bis zum vierten Lebensjahr der Elterntreff KrabbelTratsch. Immer am ersten Donnerstag im Monat von 10 bis 12 Uhr ist das PauLe für den KrabbelTratsch offen. Die Eltern sind dankbar für die Möglichkeit, sich bei einer Tasse Kaffee oder Tee untereinander auszutauschen, während der Nachwuchs die Spielecke erkundet. Für Fragen stehen die PauLe-Mitarbeiterinnen zur Verfügung.
Auch explizit für Geschwisterkinder gibt es ein Angebot: Sie fühlen sich oft benachteiligt, wenn sich die Eltern zwangsläufig mehr dem behinderten Bruder oder der Schwester zuwenden. Beim Geschwistertreff im PauLe ist das ganz anders, dann sind sie im Mittelpunkt. Im geschützten Rahmen werden sie gesehen und angenommen. Gefühle wie Wut und Trauer werden wahr und ernstgenommen. Einmal geht es nur um sie. „Beim Programm dürfen die Teilnehmer mitbestimmen. Damit sie ein paar Stunden genau das machen können, worauf sie Lust haben“, erklärt Maria Kaßler. Der Geschwistertreff ist einmal im Monat samstags von 14 bis 16 Uhr. Die Aktivitäten bei den Treffen sind ein bunter Mix aus pädagogisch-therapeutischen Angeboten und freiem Spiel.
Das ist freilich noch nicht alles. Gefragt sind darüber hinaus Themenabende, Gesprächskreise unter fachlicher Anleitung sowie musische und kreative Angebote für die ganze Familie. „Wir sind offen für Anregungen“, sagt Maria Kaßler.
von Anneliese Lieb
